1028 Bügel an einem Haken

Festarchitektur


Der hier in Frankfurt präsentierte Kronleuchter aus 1028 transparenten Kunststoffkleiderbügeln
entstand im Seminar Seminar “Experimentelles Gestalten” 2011 unter der Überschrift “Kronleuchter
für eine Festarchitektur”. Ziel war es bis zum Semesterende mehrere Kronleuchter für die Diplomfeier
des Studiengangs Innenarchitektur an der Hochschule RheinMain am Campus Wiesbaden zu
entwickeln.







Form und Material

Midas Touch ?

Wie wirken Form und Material zusammen ?

Die Aufgabenstellung der Lehrveranstaltung Experimentelles Gestalten ermöglichte den Studenten mit unterschiedlichen Materialien und Formen zu experimentieren und auf ihre Verwendbarkeit hinsichtlich der Aufgabe zu untersuchen.

Ist im Zeitalter der Nachhaltigkeit die wegweisende Entwurfshaltung mit dem Spruch „Form hui, Material pfui“ auf den Punkt gebracht ? Führt die Frage: “Wohin mit dem Neuen ?” in Zeiten von „Alles-schon-vorhanden“ die Designausbildung dahin, sich stärker auf das Thema Umwidmung oder Umwertung zu konzentrieren ?

Ist der Designer vergleichbar mit dem antiken König Midas, der allein durch seine Berührung bzw. durch seinen gestalterischen Zugriff Wertloses zu Wertvollem machen kann ?

Kann ein aktuelles Designprodukt authentisch oder zeitgenössisch sein, wenn es nicht von der Ambivalenz des Konsums zwischen Luxus und Müll erzählt ?



Form Findung 1

Rotationsformen

Design hat immer auch mit der Kompetenz des Formens oder des Erfindens von Formen zu tun. Da sich derartige Inhalte nur ansatzweise verbal vermitteln lassen, führt die Ausbildung einer Haltung in diesem Bereich notwendigerweise zum eigenen Experiment.

Anhand von einfachen Gipsdrehformen wurden die ästhetischen Möglichkeiten, die im Thema Kronleuchter stecken herausgearbeitet und verglichen. Die Festlegung auf eine für alle verbindliche Leitkurve diente der Vereinfachung und verlagerte die Aufgabe in den Bereich der Materialfindung und -bearbeitung.



Form Findung 2

Am Spieß

Die räumlichen Vorgaben ließen es zu, einen über 2 Meter hohen Kronleuchter zu hängen. Um diese Ausmaße zu bewältigen, bedurfte es umfangreicher technischer Vorarbeiten, Abstimmungsprozesse und eines gemeinsamen Kraftaktes von Seiten der Studenten, Werkstattleiter und Lehrkräfte.



Form Findung 3

Ziehklinge


Entsprechend der geometrischen Entwicklung der Form gestaltete sich die Umsetzung ins Material. Ein Grundkörper aus Styropor und Plastilin rotiert um eine lineare Achse und wird von einer Leitkurve begrenzt (Ziehklinge). Das im Automobilbau übliche Industrieplastillin hat sich für dieses Vorhaben in den geplanten Ausmaßen als das geeignete Material erwiesen.



Objet trouvé

Hat Design mehr mit Erfinden oder mit Finden zu tun ?


Wie wir aus der Kunstgeschichte gelernt haben, gibt es fast kein Material, das bzw keinen Gegenstand, der nicht für würdig befunden worden wäre, in den Rang großer Kunst erhoben zu werden. In der Kunst des 20. Jahrhunderts lässt sich diese Tradition zurückführen auf den Kubismus mit den „object trouvés“ von Picasso, auf den Dadaismus mit Marcel Duchamps „readymades“ und auf die Fetischisierung des Objektes im Surrealismus, auf Lautréamonts „die zufällige Begegnung einer Nähmaschine mit einem Regenschirm auf einem Seziertisch... um nur die wichtigsten Referenzen zu nennen.



Transformation 1

Kleiderbügel

Neben der Größe, der Form und der engen Terminierung, lag die zentrale Schwierigkeit in der Findung eines Materials, das im Stande war einen der festlichen Situation angemessenen Lichteffekt zu erzeugen.

Anspruchsvoll wurde die Aufgabe durch das fast nicht vorhandene Budget und durch die statischen, brandschutztechnischen und optischen Anforderungen.

Es wurden leichte, preiswerte, schwerentzündliche und lichtdurchlässige Materialien in großen Mengen gesucht.
Ein “Fund” waren die glasklaren Kleiderbügel der Firma Willpütz aus Köln ( Ein herzliches Dankeschön!) , welche in ihrer funktionsbedingten Formgebung, den sonst bei Kronleuchtern üblichen Kristallformen ähneln.

Entwurf: Heiko Maier-Jantzen





Transformation 2

LED


Aufbauend auf der geometrischen Grundidee des Rotationskörpers entstand ein technisch anspruchsvolles Objekt, eher eine Maschine. Ein Kronleuchter, der die vorgegebene Form als Resultat einer Bewegung im Raum versteht und mit Hilfe von
LED-Leuchten visualisiert.

Entwurf: Florian Hübscher und Frank Diers.





Transformation 3

Müllbeutel

Die Materialeigenschaften von Müllbeuteln werden unterschätzt bzw. nur unter funktionalen Gesichtspunkten wahrgenommen. Hier wurde aus vielen Beuteln in vielen Stunden ein feines glänzendes Gewebe gestrickt und so konfektioniert, dass der daraus genähte Kronleuchter beim Betrachten die Assoziation Kleidungsstück auslöst.

Entwurf: Nadia Rießle.



Ein Leuchter in Köln

Internationale Möbelmesse IMM Köln 2012

Das renommierte Einrichtungshaus PESCH in Köln am Kaiser-Wilhelm-Ring bot das passende Interieur für die öffentliche Premiere des aus 1028 Kunststoff-Kleiderbügeln gefertigten Kronleuchters der Innenarchitekturstudenten aus Wiesbaden.

Die für diese spektakuläre Experiment notwendigen Kleiderbügeln wurden von der in Köln ansässigen Firma Willpütz gestiftet.

Der Leuchter ist eines von mehreren Unikaten, die im Rahmen des Fachs “Experimentelles Gestalten” an der Hochschule RheinMain auf dem Wiesbadener Campus entstanden sind.


bei Pesch in Köln.



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Credits:


Kurs Festarchitektur:
Frank Diers, Florian Hübscher, Heiko Maier-Jantzen, Klaris Montchovi, Nadja Rießle, Raphael Weyand,
Prof. Johannes Kiefer (Lehrveranstaltung)

Realisierung IMM Köln + Frankfurt 2012:
Ansgar Maibaum (Werkstattleitung), Prof. Ralf Kunze (Studiengangsleitung),
Prof. Uwe Münzing (PR und Koordination Messeauftritt), Maximilian Wieder (Karte und Blog), Heiko Maier-Jantzen

Marcel Seelinger, Christiane Reichenbach, Bastian Stöcklein, Valeska Dudek, Anne Rübsamen,
Benjamin Tritschler, Anne Schweitzer, Namiko Arnest, Martina Winkler, Andrea Müller, Sophie Levenhagen,
Anke Capla, Kristin Bouillon, Irena Petrova




Besonderer Dank:


Heiko Maier-Jantzen
für den unermüdlichen Auf-und Abbau der 1028 Bügel und mehr...

Fa. Willpütz,Köln
für die zahlreichen, mittlerweile weit über 2.000 Stck Kleiderbügel.

Fa. Pesch Wohnen, Köln
für den Haken und die Unterstützung für die Präsentation während der Möbelmesse Köln 2012